Stimme der Lübbecker Werkstätten

Stimme der Lübbecker Werkstätten

Vielseitige Aufgaben bei der Arbeit und abwechslungsreiche Freizeitgestaltung

 

Lübbecke (LH). An ihm kommt keiner vorbei: Rechts vom Haupteingang zur Betriebsstätte Am Osterbruch, in der Zentrale der Lübbecker Werkstätten, arbeitet Marc Kappelmann. Immer mit einem Ohr am Telefon, behält er den Eingang ständig im Auge. „Für mich ist es ein großes Glück, dass ich hier meine Stärken nutzen kann“, meint der 31jährige.

 

Für Kappelmann ist das nicht selbstverständlich. Er sitzt im Rollstuhl und lebt mit einer spastischen Tetraplegie. „Mein Körper ist mein Problem. Die Muskeln folgen meinem Willen nicht richtig und verkrampfen plötzlich“, beschreibt Kappelmann seine körperliche Situation. „Komplexe Bewegungsabläufe gelingen mir nicht. Montagearbeiten kann ich deshalb nicht leisten.“ Umso besser geht er mit Sprache und Stimme um. Und auf sein Gedächtnis ist Verlass. Das Telefonverzeichnis der Werkstätten, die Nummern der einzelnen Arbeitsbereiche und Mitarbeiter hat Kappelmann im Kopf. Entsprechend reibungslos werden Anrufer durchgestellt. Wird er von Kollegen am Telefon vertreten, fragen sie ihn, statt im Telefonverzeichnis nachzuschauen. Das ist meistens schneller.

 

Die Zentrale sei der Anlaufpunkt von Lübbecker Werkstätten und Lebenshilfe Lübbecke, erklärt Kappelmann. Den ganzen Tag über beantwortet er Telefonanrufe. Beschäftigte und Mitarbeiter kommen an der Zentrale vorbei und Besucher melden sich an. „Bei uns ist immer sehr viel los“, sagt Kappelmann, um im nächsten Moment mit dem Headset einen Anruf entgegenzunehmen und einen Anrufer mit dem gewünschten Gesprächspartner zu verbinden. „Hier rechts hinter uns ist die Verwaltung und gegenüber sind die verschiedenen Bereiche der Lübbecker Werkstätten. Besucher werden in der Zentrale registriert - dazu müssen sie sich in eine Liste eintragen - und bekommen eine Besucherkarte. Dann rufe ich die Kontaktpersonen an, die ihren Besuch meistens hier an der Zentrale abholen.“ Auch für die Mitarbeiter der Verwaltung ist Kappelmann Ansprechpartner. Er vergibt die Dienstwagen und weiß immer, wer gerade außer Haus ist. Nebenbei schreibt er die Speisepläne. Etwa für die Mensa des Schulzentrums Rahden, die von der Großküche der Lübbecker Werkstätten beliefert wird und in der auch Menschen mit Behinderungen arbeiten. Oder für den LeCa Grill im Gewerbegebiet Oberbehme, der ebenfalls von der Lebenshilfe Lübbecke betrieben wird. Außerdem ist er in die Vorbereitung von Pausenaufsichten und Türdienst eingebunden und hält die Telefonlisten aktuell.

Das wichtigste und vor allem barrierefreie Informationssystem für die Beschäftigten der Lübbecker Werkstätten ist Cabito, eine Art Browser mit Touch-Screen. Speisepläne, die neuesten Nachrichten, aus den Werkstätten, dem Sport und der Welt sind hier einfach abrufbar. Für Sehbehinderte stehen viele Informationen auch als Hörtexte zur Verfügung. Marc Kappelmann spricht die Speisepläne auf. Aktuell zum Welttag der Menschen mit Behinderung hat er einen Beitrag dazu erstellt und auch eine Audiodatei dazu eingesprochen.

 

Beschäftigte, die mit dem öffentlichen Personennahverkehr unterwegs sind, können an der Zentrale ihre Monatskarten abholen. Außerdem sichtet Kappelmann täglich die Online-Ausgaben der Lokalpresse, um Pressemeldungen über die Lebenshilfe Lübbecke oder die Lübbecker Werkstätten zu archivieren. „Natürlich mache ich das alles nicht alleine“, fügt Kappelmann hinzu und schaut zu Adam Chaaban, der gerade am Telefon sitzt. Als Vertreter auf Abruf ist Benjamin Estermann der Dritte im Bunde.

 

Heimspiel: Als treuer Fan besucht Marc Kappelmann fast alle Heimspiele des TuS N-Lübbecke

Kappelmann ist bereits 2005, direkt nach seinem Schulabschluss, zu den Lübbecker Werkstätten gekommen. „Ich habe die Schule am Weserbogen in Bad Oeynhausen besucht. Die Schule fördert Menschen mit körperlichen Behinderungen. Eine andere Möglichkeit gab es damals für mich nicht.“ Im Berufsbildungsbereich der Lübecker Werkstätten wurde Kappelmann auf das Arbeitsleben vorbereitet. „Wir haben dann schnell erkannt, wie gut Marc sich ausdrücken kann“, erinnert sich Betriebsleiter Wilfried Mohrfeld. „2007 wurde eine Stelle in der Zentrale hier in der Betriebsstätte Am Osterbruch frei und seitdem arbeitet Herr Kappelmann hier. Die Rückmeldungen von Kollegen und auch Kunden sind sehr positiv. Wir alle sind sehr mit seiner Arbeit zufrieden.“

 

 

Treuer Fan von TuS Nettelstedt-Lübbecke und Mitglied bei Bayern München

Lebensqualität am Feierabend: Besuche im Café Janke gehören für Marc Kappelmann dazu.

Mit seinem Elektrorollstuhl ist Kappelmann selbständig mobil. Er wohnt in der Lübbecker Innenstadt und ist in wenigen Minuten in der Fußgängerzone. „Wer die richtigen Stellen kennt, kommt in Lübbecke ganz gut mit dem Rollstuhl zurecht“, meint der Sportbegeisterte. Einige Übergänge könnten aber verbessert werden. Zur Merkur Arena braucht er gut 20 Minuten. Kommt nichts dazwischen, besucht er alle Heimspiele des TuS N-Lübbecke. „Meistens gönne ich mir vorher noch eine Bratwurst und unterhalte mich mit anderen Fans, bevor ich in die Halle fahre.“ Der Platz für die Rollstuhlfahrer ist direkt im Eingangsbereich, Begleitpersonen müssen stehen, haben aber freien Eintritt. „Die Sicht hier ist sehr gut. Früher haben wir unten am Spielfeldrand gestanden, da war die Stimmung intensiver und nach dem Spiel konnten wir mit den Spielern noch ein paar Worte wechseln“. Strengere Sicherheitsbestimmungen hätten dann aber ein Umdenken erfordert, erläutert Nina Wehmeyer, beim TuS N-Lübbecke verantwortlich für Marketing und Kommunikation. „Vom Spielfeldrand konnten die Rollstuhlfahrer die Halle nur durch die Umkleidekabinen der Mannschaften verlassen und das wurde uns aus Sicherheitsgründen untersagt. Jetzt bieten die Rollstuhlplätze maximale Sicherheit und wir konnten die Zahl der Rollstuhlplätze erhöhen. Kontakt zu den Sportlern gibt es dann nach dem Spiel in der Sport-Bar.“Als Fußball-Fan schlägt Kappelmanns Herz für den FC Bayern München. Seit 2007 ist er Vereinsmitglied. So oft es geht besucht er die Heimspiele in der Münchener Allianz Arena. „Das absolute Highlight für mich war die Meisterfeier im letzten Jahr auf dem Münchener Marienplatz. Ich war überrascht, wie offen und freundlich die Spieler mit den Fans umgegangen sind. Die Selfies mit Thomas Müller, Joshua Kimmich, Arjen Robben, Stadionsprecher Stephan Lehmann, Robert Lewandowski und Mats Hummels habe ich auf dem Handy immer dabei.“
Regelmäßig trifft Kappelmann sich mit Freunden in der Stadt. Im Café Janke etwa, oder bei Silvio in der Pizzeria. Fußball und Handball kommen dabei immer zur Sprache. „Es heißt immer, die Bayern wären arrogant“, sagt Kappelmann und betrachtet die Selfies auf seinem Handy. „Aber was Offenheit und Nähe zu den Fans angeht stehen Sie den Lübbecker Handballern in nichts nach.“

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